Was ihr passiert ist, passiert gerade tausenden Menschen in Deutschland, und die meisten merken es erst wenn es zu spät ist.
Die vorvertragliche Anzeigepflicht in der PKV ist kein bürokratisches Beiwerk, sondern eine der wichtigsten Spielregeln überhaupt. Ein falscher Schritt beim Ausfüllen der Gesundheitsfragen kann dich Jahrzehnte später alles kosten, nicht nur Geld sondern deinen kompletten Krankenversicherungsschutz.
Was bedeutet die vorvertragliche Anzeigepflicht in der PKV?
Die vorvertragliche Anzeigepflicht ist gesetzlich verankert in § 19 Versicherungsvertragsgesetz (VVG) und verpflichtet dich, vor Vertragsabschluss alle gefahrerheblichen Umstände wahrheitsgemäß anzugeben. Das bedeutet ganz konkret, dass du alle Gesundheitsinformationen offenlegen musst, nach denen der Versicherer in den Antragsfragen in Textform fragt.
Die Logik dahinter ist einfach: In der PKV gilt das Äquivalenzprinzip, das bedeutet, dass deine Beiträge risikogerecht kalkuliert werden und du für dein eigenes Gesundheitsrisiko zahlst. Anders als in der gesetzlichen Krankenversicherung, wo alle den gleichen Prozentsatz vom Einkommen zahlen, richtet sich dein PKV-Beitrag nach deinem persönlichen Risikoprofil.
Damit der Versicherer dein Risiko einschätzen und einen fairen Beitrag berechnen kann, muss er deinen Gesundheitszustand möglichst genau kennen.
Als langjähriger PKV-Stratege mit über 15 Jahren Erfahrung aus über 500 Beratungen kann ich dir sagen, dass die Anzeigepflicht der kritischste Punkt beim gesamten PKV-Abschluss ist.
Laut § 19 VVG darfst du Vorerkrankungen oder laufende Behandlungen auf keinen Fall verschweigen, sonst ist das Vertragsverhältnis von Anfang an auf einer falschen Grundlage geschlossen. Die Versicherung behandelt das so, als hätte sie einem anderen Menschen mit anderem Risiko einen Vertrag gegeben.
„Der Bundesgerichtshof hat mehrfach klargestellt, dass du nur das anzeigen musst, was dir positiv bekannt ist. Fahrlässige Unkenntnis ist rechtlich keine Pflichtverletzung. Wenn dir eine Diagnose nie mitgeteilt wurde, kann dir niemand vorwerfen dass du sie nicht angegeben hast. Das Problem ist nur, dass viele Menschen unterschätzen, was alles in ihrer Krankenakte steht und welche Diagnosen dort auftauchen von denen sie selbst nichts wissen.„
Welche Gesundheitsangaben werden in der PKV abgefragt?
Bei der Antragstellung für die PKV durchläufst du eine detaillierte Gesundheitsprüfung.
Du erhältst einen Fragebogen, der typischerweise mehrere Seiten umfasst und sehr konkret nach deinem Gesundheitszustand fragt. Die Fragen können je nach Versicherer variieren, aber die Kernbereiche sind bei allen ähnlich:
Fragenbereich | Typischer Abfragezeitraum | Was konkret gefragt wird |
---|---|---|
Akute oder chronische Erkrankungen | Letzten 3–5 Jahre | Allergien, Herz-Kreislauf-Probleme, Diabetes, Asthma, chronische Schmerzen |
Ambulante Behandlungen | Letzten 3 Jahre | Arztbesuche mit Diagnosen, Behandlungszeiträume, behandelnde Ärzte |
Stationäre Aufenthalte | Letzten 5 Jahre | Krankenhaus- und Reha-Aufenthalte, Diagnosen, Dauer, Ergebnisse |
Psychische oder psychosomatische Behandlungen | Letzten 5–10 Jahre | Psychotherapie, psychiatrische Behandlung, Medikation, Krankschreibungen |
Operationen | Letzten 5 Jahre | Durchgeführte und geplante Eingriffe, Art der OP, Befund, Heilungsverlauf |
Medikamenteneinnahme | Aktuell (regelmäßige Einnahme) | Verschreibungspflichtige und rezeptfreie Medikamente, Dosierung, Grund |
Sucht- oder Drogenprobleme | Letzten 5–10 Jahre | Alkohol-, Nikotin- oder Drogenabhängigkeit, Therapien, Entzugsmaßnahmen |
Dauerhafte Beeinträchtigungen | Aktueller Status | Schwerbehinderung, Pflegegrad, dauerhafte Einschränkungen |
Besonders schwere Erkrankungen | Bis zu 10 Jahre oder „jemals“ | Krebs, schwere chronische Leiden, Herzinfarkt, Schlaganfall |
Die Versicherer fragen nach akuten oder chronischen Erkrankungen wie Allergien, Herz-Kreislauf-Problemen, Diabetes oder psychischen Erkrankungen.
Sie wollen wissen, ob du in den letzten Jahren ambulant oder stationär behandelt wurdest, typischerweise ambulante Behandlungen der letzten drei Jahre und Krankenhausaufenthalte der letzten fünf Jahre. Besonders genau schauen sie auf psychische oder psychosomatische Behandlungen, hier fragen viele Versicherer bis zu zehn Jahre zurück.
Ich erlebe ich immer wieder, wie überrascht Menschen sind wenn sie ihre Patientenakte anfordern und dort Diagnosen finden, an die sie sich selbst nicht erinnern können. Ärzte notieren oft Verdachtsdiagnosen oder vorübergehende Beschwerden, die dem Patienten selbst unbedeutend erschienen aber in der Akte dokumentiert sind.
Operationen und geplante Eingriffe stehen ganz oben auf der Liste: Der Versicherer will wissen, ob dir dein Arzt zu einer Operation geraten hat oder ob du aktuell auf eine Behandlung wartest. Auch laufende Medikamenteneinnahmen sind relevant, egal ob es sich um verschreibungspflichtige Präparate oder regelmäßige rezeptfreie Medikamente handelt.
Sucht- oder Drogenprobleme werden explizit abgefragt. Das umfasst Alkohol-, Nikotin- oder Drogenabhängigkeit, und hier musst du ehrlich sein auch wenn es unangenehm ist. Laut den Antragsfragen der meisten Versicherer spielen auch dauerhafte Beeinträchtigungen eine Rolle, etwa eine anerkannte Schwerbehinderung oder Pflegebedürftigkeit.
Die Fragen werden meist mit Ja oder Nein beantwortet. Bei jeder Ja-Antwort musst du nähere Details angeben, also die genaue Diagnose, Behandlungszeiträume und die behandelnden Ärzte. Es reicht nicht zu sagen, dass du vor zwei Jahren beim Orthopäden warst, du musst auch angeben warum und was diagnostiziert wurde.
Ich rate dir, alle Befunde und Daten sorgfältig zusammenzutragen bevor du den Antrag ausfüllst. Fordere bei allen Ärzten, bei denen du in den relevanten Jahren warst, eine Kopie deiner Krankenakte an. Du hast das Recht dazu nach § 630g BGB, und nur so stellst du sicher dass du keine Diagnose vergisst die später zum Problem werden könnte.
Abfragezeiträume: Wie weit musst du zurück Angaben machen?
Typischerweise fragen die Versicherer nach drei Jahren für kleinere, inzwischen ausgeheilte Beschwerden. Eine vorübergehende Rückenschmerz-Behandlung von vor vier Jahren musst du nicht angeben, wenn die Frage sich auf die letzten drei Jahre bezieht.
Größere oder wiederkehrende Probleme werden über fünf Jahre abgefragt, das betrifft chronische Leiden, durchgeführte Operationen oder psychotherapeutische Behandlungen.
Die relevanten Abfragezeiträume für die Gesundheitsfragen sind im Antrag genau definiert, und hier liegt eine der größten Stolperfallen. Viele Menschen denken, sie müssten alles angeben was jemals in ihrem Leben war, aber das stimmt nicht. Du musst nur das angeben, wonach konkret gefragt wird.
Bei besonders schweren Erkrankungen fragen viele Versicherer explizit nach einem Zeitraum von zehn Jahren.
Das betrifft vor allem Krebs, schwere chronische Krankheiten oder langwierige psychische Störungen. Einige Versicherer fragen sogar, ob bestimmte Erkrankungen jemals bestanden haben, dann musst du auch Dinge von vor 20 Jahren angeben wenn sie unter diese Kategorie fallen.
Was muss ich im Rahmen der Gesundheitsprüfung wirklich angeben?
Du musst in der Regel nur das angeben, wonach gefragt wird. Ist im Antrag ausdrücklich nach Erkrankungen der letzten fünf Jahre gefragt, brauchst du eine Behandlung von vor acht Jahren nicht anzugeben. Das gilt aber nur, wenn keine Folgekontakte oder Kontrolluntersuchungen im abgefragten Zeitraum stattfanden.
Ältere Krankheiten können wieder anzeigepflichtig werden, wenn es Folge- oder Kontrolluntersuchungen dazu im abgefragten Zeitraum gab. Ein Beispiel aus meiner Beratungspraxis verdeutlicht das.
Ein Kunde hatte vor acht Jahren eine Knie-OP, die Operation selbst lag außerhalb des Fünf-Jahres-Zeitraums. Allerdings war er vor zwei Jahren noch einmal beim Orthopäden zur Kontrolluntersuchung wegen des Knies. Diese Kontrolluntersuchung musste er angeben, und damit kam auch die alte Operation wieder ins Spiel.
Im Zweifel gilt immer die Faustregel, dass du lieber eine Vorerkrankung zu viel angibst als zu wenig.
Vergisst du etwas Wesentliches, kann dir das später große Probleme bereiten und im schlimmsten Fall den kompletten Versicherungsschutz kosten. Die meisten Versicherer sind kulanter wenn du ehrlich bist und eine Vorerkrankung angibst, als wenn sie später herausfinden dass du etwas verschwiegen hast.
Was musst du bei den Gesundheitsfragen in der PKV nicht angeben?
Die vorvertragliche Anzeigepflicht verlangt keine Beichte über dein gesamtes Lebensdossier, sondern bezieht sich nur auf die im Antrag gestellten Fragen. Eine spontane Anzeigepflicht über den Fragenkatalog hinaus besteht nicht, das hat der Gesetzgeber klar geregelt.
Du brauchst nichts zu erwähnen, wonach gar nicht gefragt wird. Hakt der Versicherer nicht nach bestimmten Bereichen, musst du diese von dir aus nicht offenlegen. Wenn keine Frage nach bestimmten Hobbys oder familiären Vorbelastungen gestellt wird, brauchst du das nicht anzugeben.
Das Gleiche gilt für Ereignisse, die außerhalb des jeweils abgefragten Zeitraums liegen.
Unbekannte oder vergessene Diagnosen kannst du natürlich nur angeben, wenn du selbst davon weißt. Niemand erwartet, dass du Diagnosen nennst, die dir nie mitgeteilt wurden. Hast du von einer Erkrankung oder einem Befund keine Kenntnis, gilt das rechtlich nicht als Verschulden deinerseits.
Der Bundesgerichtshof hat klargestellt, dass fahrlässige Unkenntnis keine Pflichtverletzung darstellt.
Trotzdem solltest du hier vorsichtig sein und nicht zu sorglos werden. Viele Menschen unterschätzen massiv, was alles in ihrer Krankenakte steht. Ärzte notieren oft Verdachtsdiagnosen oder beiläufige Bemerkungen, an die sich der Patient selbst nicht erinnert. Diese Einträge sind aber dokumentiert und können später zum Problem werden.
Nicht nachvollziehbare Diagnosen schleichen sich häufig in Patientenakten ein. Ein klassisches Beispiel aus meiner Beratung war ein Kunde, der laut seiner Hausarzt-Akte eine Störung der Erregung bei Männern und Frauen hatte. Er hatte sich damals aus Spaß einmal Viagra verschreiben lassen, und der Arzt hatte eine entsprechende Diagnose in die Akte eingetragen. Solche Dinge vergisst man leicht, aber sie stehen schwarz auf weiß in den Unterlagen.
Deshalb rate ich dir dringend, vor der Antragstellung deine Patientenquittung bei allen Ärzten anzufordern, bei denen du in den letzten Jahren warst. Nur so weißt du wirklich, was in deiner Akte steht und kannst sicherstellen dass du alle relevanten Diagnosen angibst. Das kostet dich ein paar Wochen Zeit, aber es kann dich vor existenzbedrohenden Problemen bewahren.
Was passiert bei Verletzung der vorvertraglichen Anzeigepflicht?
Wenn du bei den Gesundheitsfragen schummelst oder etwas verschweigst, riskierst du erhebliche Konsequenzen. Laut § 19 VVG hat der Versicherer bei einer Verletzung der Anzeigepflicht verschiedene Rechte, und welche Sanktionen im Einzelfall drohen, hängt maßgeblich davon ab wie schwer dein Verschulden wiegt.
Die Rechtsprechung unterscheidet grob vier Abstufungen, und die Unterschiede sind dramatisch. Bei arglistiger Täuschung kann der Versicherer den Vertrag rückwirkend vernichten, bei vorsätzlichem Verschweigen vom Vertrag zurücktreten, bei grober Fahrlässigkeit den Vertrag nachträglich anpassen und bei leichter Fahrlässigkeit passiert meist wenig bis gar nichts. Lass mich dir die einzelnen Fälle im Detail erklären.
Arglistige Täuschung: Der schlimmste Fall
Arglist liegt vor, wenn du dem Versicherer absichtlich falsche Angaben machst, um Versicherungsschutz zu erschleichen oder bessere Konditionen zu erhalten. Es handelt sich um Vorsatz mit Täuschungsabsicht, und das ist der schlimmste Fall den es geben kann.
Ein Beispiel aus der Praxis. Du weißt, dass du seit Jahren Diabetes hast und regelmäßig in Behandlung bist. Im Antrag kreuzt du bei der Frage nach chronischen Krankheiten bewusst Nein an, um aufgenommen zu werden und einen niedrigeren Beitrag zu zahlen. Das ist arglistige Täuschung, weil du wissentlich ein falsches Risiko vortäuschst.
Die Folgen sind drastisch: Der Versicherer kann den Vertrag anfechten, selbst noch nach Jahren. Bis zu zehn Jahre lang darf er den Vertrag wegen arglistiger Täuschung rückwirkend aufheben. Das bedeutet, der Vertrag wird so behandelt als hätte er nie bestanden. Der Versicherer muss nicht leisten und kann bereits erstattete Beträge zurückfordern. Du stehst dann nicht nur ohne Erstattung für die aktuelle Behandlung da, sondern komplett ohne PKV-Schutz.
Die Hürde für den Versicherer ist allerdings hoch. Er muss dir die Täuschungsabsicht nachweisen, und die Beweislast liegt bei ihm. In der Praxis gelingt das aber häufig, wenn offensichtlich wichtige Vorerkrankungen verschwiegen wurden, die in allen ärztlichen Unterlagen dokumentiert sind.
Vorsatz ohne Täuschungsabsicht
Nicht jeder bewusste Fehler ist gleich Arglist. Vorsätzliches Verschweigen bedeutet, du hast eine Information absichtlich weggelassen obwohl du wusstest dass sie gefragt war, jedoch vielleicht in der Annahme sie sei harmlos oder nicht so wichtig.
Ein typisches Beispiel: Du lässt eine ambulante Operation absichtlich unerwähnt, weil du denkst sie sei medizinisch unbedeutend, obwohl im Antrag klar nach Operationen der letzten fünf Jahre gefragt wurde. Hier willst du den Versicherer nicht betrügen, handelst aber wissentlich gegen die Anzeigepflicht.
Die Folgen bei vorsätzlicher Anzeigepflichtverletzung sind ähnlich hart wie bei Arglist. Der Versicherer kann bis zu zehn Jahre nach Vertragsschluss vom Vertrag zurücktreten. Ein Rücktritt bedeutet, der Vertrag wird für die Zukunft aufgehoben.
Tritt der Versicherer erst nach Eintritt eines Versicherungsfalls zurück, muss er für diesen Schadenfall nicht zahlen, vor allem dann nicht wenn die verschwiegene Vorerkrankung für den Leistungsfall ursächlich war.
Grobe Fahrlässigkeit: Schwere Form des Vergessens
Von grob fahrlässigem Verschweigen spricht man, wenn du zwar nicht bewusst täuschst, aber sehr unachtsam warst. Grobe Fahrlässigkeit liegt vor, wenn du eine wichtige gesundheitliche Angabe einfach übersehen hast, obwohl du sie bei zumutbarer Sorgfalt hättest erinnern und angeben müssen.
Ein Beispiel aus meiner Beratungspraxis. Ein Kunde vergaß anzugeben, dass er vor drei Jahren mehrfach wegen Rückenbeschwerden beim Orthopäden war, und es gab darüber sogar Arztberichte und Rezepte für Physiotherapie. Hier unterstellt man ihm keine Absicht, aber eben deutliches Verschulden, weil er nicht genügend Sorgfalt aufgewendet hat.
Die Folgen bei grober Fahrlässigkeit sind abgestuft: Ein Rücktritt des Versicherers ist grundsätzlich möglich, allerdings nur wenn der Versicherer bei Kenntnis der verschwiegenen Umstände den Vertrag gar nicht abgeschlossen hätte. Hätte er dich mit der wahren Angabe zwar versichert aber zu anderen Konditionen, etwa mit Risikozuschlag oder Leistungsausschluss, dann ist ein Rücktritt ausgeschlossen.
Stattdessen kann der Versicherer den Vertrag einseitig rückwirkend anpassen, also nachträglich den Beitrag erhöhen oder bestimmte Leistungen für die betreffende Vorerkrankung ausschließen. Diese Vertragsanpassung erfolgt so, als wäre sie von Anfang an Bestandteil des Vertrags gewesen. Der Versicherer bleibt grundsätzlich leistungspflichtig, jedoch mit den geänderten Bedingungen.
Du hast in diesem Fall ein Sonderkündigungsrecht, falls die Prämie durch die Anpassung um mehr als zehn Prozent steigt oder ein Leistungsausschluss hinzugefügt wird. Allerdings greift im Bereich der Krankheitsvollversicherung § 206 VVG, und deine Kündigung wird erst wirksam wenn du nachweist dass du nahtlos anderweitig versichert bist.
Die Rechte des Versicherers wegen fahrlässiger Anzeigepflichtverletzung bestehen maximal drei Jahre ab Vertragsschluss. Entdeckt der Versicherer die vergessene Angabe erst nach Ablauf von drei Jahren, kann er bei bloß fahrlässigem Fehlverhalten nichts mehr gegen dich unternehmen. Diese Nachlässigkeit ist dann geheilt.
Leichte Fahrlässigkeit: Der harmloseste Fall
Leichte Fahrlässigkeit bedeutet, du hast eine Angabe aus Versehen oder verständlichem Vergessen unterlassen. Du hast eine einmalige Physiotherapie-Behandlung nach einem kleinen Sportunfall vor sechs Jahren völlig vergessen, sie war kurz und hatte keine Folgen. So etwas kann trotz Sorgfalt passieren.
Die Folgen bei einfacher Fahrlässigkeit sind in der PKV meist keine gravierenden. Weder Rücktritt noch Kündigung sind hier erlaubt. Der Versicherer kann allenfalls eine Vertragsänderung für die Zukunft vornehmen, etwa einen Risikozuschlag erheben, wenn er dich mit korrekten Angaben nur mit Zuschlag versichert hätte.
Oft passiert aber sogar gar nichts, weil eine leichte Nachlässigkeit in der Vollversicherungs-PKV aufgrund der Versicherungspflicht faktisch sanktionslos bleibt. Auch bei leichter Fahrlässigkeit gilt die Drei-Jahres-Frist, danach sind versehentliche Fehler komplett verjährt. In der Praxis versuchen Versicherer höchstens, einen vergessenen Umstand bei nächster Gelegenheit für die Zukunft mit einem Zuschlag zu belegen.
Was passiert, wenn der Versicherer den Vertrag kündigt oder anficht?
Eine Kündigung oder Anfechtung durch den Versicherer hat einschneidende Folgen für dich als Versicherten. Wird dein Vertrag aufgrund falscher Angaben beendet, stehst du unter Umständen plötzlich ohne Krankenversicherung da, und das in einem System mit Versicherungspflicht.
Keine andere PKV wird dich in einem regulären Tarif mehr aufnehmen. Versicherer tauschen zwar offiziell keine schwarzen Listen aus, aber bei jedem neuen Antrag musst du angeben dass ein früherer Vertrag vom Versicherer gekündigt oder angefochten wurde. Spätestens dann winken die meisten Gesellschaften ab, weil sie kein Interesse haben jemanden zu versichern, dem bereits eine andere Gesellschaft den Vertrag gekündigt hat.
Eine Rückkehr in die gesetzliche Krankenversicherung ist in der Regel nicht möglich, falls du zu der Personengruppe gehörst die sich privat versichern musste. Insbesondere als Selbstständiger oder Beamter gibt es keinen automatischen Weg zurück in die GKV. Angestellte könnten nur dann zurück, wenn ihr Einkommen unter die Jahresarbeitsentgeltgrenze fällt, was meist nicht von heute auf morgen machbar ist.
Basistarif als letzte Zuflucht
Dir bleibt meist nur noch der Basistarif der PKV als Auffanglösung. Der Basistarif muss von allen privaten Versicherern angeboten werden und entspricht in den Leistungen etwa der GKV. Allerdings kann der Beitrag bis zum Höchstbeitrag der GKV reichen, das sind 2026 etwa 1.200 Euro monatlich, und es gibt keine individuellen Leistungsanpassungen.
Für viele Betroffene bedeutet das deutlich höherer Beitrag bei oft schlechteren Leistungen. Ein Beispiel aus meiner Beratungspraxis verdeutlicht das Drama. Ein 45-jähriger zahlte nach Kündigung seiner PKV statt zuvor 450 Euro plötzlich 750 Euro im Monat bei abgespecktem Schutz. Er bekam nur noch GKV-Leistungen, musste aber PKV-Beiträge zahlen und konnte nicht zurück in die gesetzliche Kasse.
Diese Konsequenzen zeigen, wie existenzbedrohend sich falsche Angaben im Antrag auswirken können. Es geht um weit mehr als nur einen kleinen Beitragszuschlag, im schlimmsten Fall verlierst du deinen Versicherungsschutz genau dann wenn du ihn am dringendsten brauchst. Du stehst mit hohen Arztrechnungen da und hast keine Versicherung mehr, die für dich einspringt.
Wie lange kann der Versicherer bei einer vorvertraglichen Anzeigepflichtverletzung vom Vertrag zurücktreten?
Bei arglistiger Täuschung oder vorsätzlichem Verschweigen kann der Versicherer bis zu zehn Jahre nach Vertragsschluss seine Rechte geltend machen.
Das ist eine extrem lange Frist, die bedeutet dass du ein volles Jahrzehnt lang nicht sicher sein kannst ob dein Vertrag Bestand hat. Laut § 19 VVG beginnt die Frist mit dem Vertragsabschluss, nicht etwa mit dem Zeitpunkt an dem du die falsche Angabe gemacht hast.
Die Verjährungsfristen sind entscheidend dafür, wie lange du im Unsicheren lebst und ob der Versicherer noch gegen dich vorgehen kann. Die Fristen unterscheiden sich erheblich je nachdem, welches Verschulden dir vorgeworfen wird.
Bei fahrlässigem Verschweigen, egal ob grob oder leicht fahrlässig, beträgt die Frist nur drei Jahre ab Vertragsschluss. Entdeckt der Versicherer die vergessene oder fahrlässig unterlassene Angabe erst nach Ablauf von drei Jahren, kann er nichts mehr gegen dich unternehmen. Diese Nachlässigkeit ist dann geheilt, und du bist auf der sicheren Seite.
Wann beginnt die Frist zu laufen?
Die Frist beginnt grundsätzlich mit Vertragsschluss, nicht mit dem Zeitpunkt des Versicherungsfalls.
Das bedeutet, selbst wenn du zwölf Jahre nach Vertragsabschluss erstmals Leistungen beantragst, kann der Versicherer nicht mehr zurücktreten wenn die Frist abgelaufen ist. Bei Arglist oder Vorsatz wäre die Zehnjahresfrist dann längst vorbei, bei Fahrlässigkeit erst recht.
Ich erlebe ich immer wieder, dass Menschen erst nach Jahren einen größeren Leistungsfall haben und dann in Sorge geraten ob alte verschwiegene Vorerkrankungen noch ein Problem werden könnten. Die gute Nachricht ist, dass nach Ablauf der jeweiligen Frist Ruhe herrscht. Die schlechte Nachricht ist, dass viele Versicherer vor allem in den ersten Vertragsjahren genauer prüfen und bei Auffälligkeiten intensiv in deiner Krankengeschichte recherchieren.
Tritt ein Problemfall innerhalb der Frist auf, also beispielsweise innerhalb der ersten drei Jahre bei Fahrlässigkeit, kann der Versicherer reagieren und seine Rechte ausüben. Deshalb sind die ersten Jahre nach Vertragsabschluss besonders kritisch, und du solltest in dieser Zeit besonders darauf achten dass alle deine Angaben korrekt waren.
Praxisbeispiele zur vorvertraglichen Anzeigepflicht in der PKV: Verschwiegene Psychotherapie und Knie-Operation
Vielleicht fragst du dich, wie solche Fälle in der Realität aussehen. Ich zeige dir jetzt zwei typische Beispiele (und leider auch häufige), die verdeutlichen wo die größten Stolperfallen liegen und was konkret passieren kann.
Verschwiegene Psychotherapie führt zur Anfechtung
Eine PKV-Kundin hatte im Antrag alle psychischen Behandlungen verneint, obwohl sie kurz zuvor über 200 Tage wegen Depression krankgeschrieben war und regelmäßig in psychotherapeutischer Behandlung stand. Die Versicherung nahm den Vertrag zunächst an, weil sie von der Vorerkrankung nichts wusste. Drei Jahre später reichte die Kundin Rechnungen für eine stationäre Behandlung wegen erneuter Depression ein.
Der Versicherer wurde stutzig und forderte die Krankenakte an. Dabei kam die verschwiegene Psychotherapie aus der Zeit vor Vertragsabschluss ans Licht. Die Folge war Rücktritt und Arglistanfechtung, der Vertrag wurde rückwirkend für nichtig erklärt. Die Gerichte bewerteten das gezielte Verschweigen einer so umfangreichen Psychotherapie als arglistige Täuschung, und der Vertrag fiel komplett weg.
Die Kundin stand plötzlich ohne Versicherungsschutz da, musste die bereits erstatteten Behandlungskosten zurückzahlen und bekam keine Erstattung für die aktuelle stationäre Behandlung. Die Rechnung belief sich auf über 15.000 Euro, die sie aus eigener Tasche zahlen musste. Keine andere PKV wollte sie aufnehmen, und zurück in die GKV konnte sie als Selbstständige auch nicht. Sie landete im teuren Basistarif.
Verschwiegene geplante Operation
Ein weiteres Beispiel betrifft einen Mann, dem sein Orthopäde zu einer Knie-Operation geraten hatte. Die Operation war medizinisch angeraten aber noch nicht durchgeführt, und der Mann wollte erst noch eine PKV abschließen um die OP dann von der neuen Versicherung bezahlen zu lassen. Im Antrag kreuzte er bei geplante Behandlungen oder Operationen bewusst Nein an.
Er schloss den Vertrag im Januar ab und stellte bereits im März den Antrag auf Kostenübernahme für die Knie-OP. Der Versicherer wurde misstrauisch wegen der kurzen Zeitspanne und forderte beim Orthopäden die kompletten Unterlagen an. Dabei kam heraus, dass die Operationsbedürftigkeit bereits im Dezember vor Vertragsabschluss bekannt war und im Arztbericht dokumentiert stand.
Der Versicherer trat vom Vertrag zurück wegen arglistiger Täuschung. Die OP zahlte der Mann am Ende selbst, über 8.000 Euro für den Eingriff und die Nachbehandlung. Seinen PKV-Vertrag war er los, und kein anderer Versicherer wollte ihn aufnehmen. Diese Geschichte zeigt, dass es keine gute Strategie ist, Behandlungen hinauszuzögern um sie der PKV unterzujubeln. Die Versicherer kennen diese Masche und reagieren entsprechend streng.
Fazit: „Ehrlichkeit bei den Gesundheitsfragen ist keine Verhandlungssache, sondern die Grundlage für jahrzehntelangen verlässlichen Versicherungsschutz.“
Die wichtigsten Punkte zur vorvertraglichen Anzeigepflicht in der PKV:
- Die Anzeigepflicht ist gesetzlich verankert in § 19 VVG und verpflichtet dich, alle Gesundheitsfragen wahrheitsgemäß zu beantworten
- Du musst nur angeben, wonach konkret gefragt wird, aber dafür vollständig und korrekt
- Bei arglistiger Täuschung kann der Versicherer den Vertrag bis zu zehn Jahre rückwirkend anfechten, du stehst dann ohne Schutz da
- Bei Fahrlässigkeit verjähren die Rechte des Versicherers nach drei Jahren, danach bist du auf der sicheren Seite
- Eine Vertragskündigung bedeutet meist, dass du in keiner anderen PKV mehr aufgenommen wirst und im teuren Basistarif landest
- Fordere vor Antragstellung deine Krankenakten an, um wirklich alle Diagnosen zu kennen
- Nutze anonyme Risikovoranfragen, wenn du Vorerkrankungen hast die problematisch sein könnten
- Im Zweifel lieber eine Vorerkrankung zu viel angeben als zu wenig
Die vorvertragliche Anzeigepflicht mag aufwändig erscheinen, aber sie dient deiner eigenen Absicherung.
Wenn du alle Gesundheitsfragen wahrheitsgemäß und vollständig beantwortest, legst du den Grundstein für ein vertrauensvolles Versicherungsverhältnis. Du musst keine Angst haben, dass dir im Ernstfall Leistungen verweigert werden, und kannst ruhig schlafen weil du weißt dass dein Vertrag auf einem soliden Fundament steht.