„Herr Feyler, das kann doch nicht sein! Fast 72.000 Euro von meinem Praxisverkauf? Ich habe 30 Jahre lang in diese Praxis investiert. Jetzt nimmt mir die Krankenkasse fast ein Fünftel weg?“
Ich fragte ihn: „Hat Ihnen jemand vorher erklärt, dass auf Veräußerungsgewinne Krankenversicherungsbeiträge anfallen?“ Er schüttelte den Kopf. „Nein, mein Steuerberater hat nur über die Einkommensteuer gesprochen. Von Krankenversicherungsbeiträgen hat niemand etwas gesagt.“
Wir rechneten gemeinsam durch und prüften alle Möglichkeiten. Der Beitrag war korrekt, aber es gab Gestaltungsspielräume, die er hätte nutzen können, wenn er vorher Bescheid gewusst hätte. Jetzt war es zu spät.
Was ist ein Veräußerungsgewinn?
Ein Veräußerungsgewinn entsteht, wenn du einen Betrieb, einen Teilbetrieb oder deinen Anteil an einer Personengesellschaft verkaufst. Der Gewinn ist die Differenz zwischen dem Verkaufspreis und dem Buchwert deines Unternehmens oder deiner Praxis.
Typische Veräußerungsgewinne entstehen bei:
- Verkauf einer Arztpraxis, Zahnarztpraxis oder Apotheke
- Verkauf eines Handwerksbetriebs oder einer Einzelfirma
- Verkauf von Anteilen an einer Personengesellschaft (GbR, OHG, KG)
- Aufgabe eines Gewerbebetriebs mit Verkauf der Wirtschaftsgüter
- Verkauf einer Steuerberatungskanzlei oder Anwaltskanzlei
- Verpachtung eines Betriebs mit späterer Veräußerung
Wichtig: Diese Veräußerungsgewinne unterliegen der Beitragspflicht
Die Krankenversicherungsbeiträge fallen nur bei bestimmten Veräußerungsgewinnen an. Entscheidend ist, ob du zum Zeitpunkt der Veräußerung freiwillig gesetzlich krankenversichert bist. Pflichtversicherte und privat Versicherte zahlen keine Krankenversicherungsbeiträge auf Veräußerungsgewinne.
Freiwillig gesetzlich versichert bist du typischerweise, wenn du als Selbstständiger, Freiberufler oder gutverdienender Angestellter freiwillig in der gesetzlichen Krankenversicherung bleibst. Gerade Selbstständige und Freiberufler, die ihre Praxis oder ihr Unternehmen verkaufen, fallen oft in diese Kategorie.
Diese Veräußerungsgewinne sind beitragsfrei:
- Verkauf von privaten Immobilien (außer bei gewerblichem Immobilienhandel)
- Verkauf von Wertpapieren und Aktien
- Verkauf von Kapitalvermögen
- Veräußerungsgewinne, wenn du pflichtversichert bist
- Veräußerungsgewinne, wenn du privat krankenversichert bist
Wie hoch sind Krankenversicherungsbeiträge auf Veräußerungsgewinn?
Die Krankenversicherungsbeiträge auf Veräußerungsgewinne sind für freiwillig gesetzlich Versicherte erheblich. Du zahlst den vollen Beitragssatz auf den gesamten Veräußerungsgewinn, und zwar auf einen Schlag.
Die Beitragspflicht für Veräußerungsgewinne ergibt sich aus § 240 Sozialgesetzbuch V (SGB V). Dieser Paragraph regelt die Beitragsbemessung für freiwillig Versicherte. Nach § 240 Abs. 1 SGB V werden bei freiwillig Versicherten sämtliche Einnahmen zum Lebensunterhalt herangezogen, also auch einmalige Einnahmen wie Veräußerungsgewinne.
Die Rechtsprechung des Bundessozialgerichts hat mehrfach bestätigt, dass Veräußerungsgewinne aus der Aufgabe oder Veräußerung eines Betriebs zu den beitragspflichtigen Einnahmen freiwillig Versicherter gehören. Das BSG-Urteil vom 28. September 2011 (Az. B 12 KR 13/10 R) stellte klar, dass Veräußerungsgewinne im Sinne des § 16 Einkommensteuergesetz als Einnahmen zum Lebensunterhalt gelten.
Nach § 16 Einkommensteuergesetz (EStG) sind Veräußerungsgewinne Gewinne, die bei der Veräußerung des ganzen Gewerbebetriebs, eines Teilbetriebs oder eines Anteils eines Mitunternehmers am Betriebsvermögen erzielt werden. Diese Definition gilt auch für die Krankenversicherungsbeiträge.
| Position | Beitragssatz | Bemessungsgrundlage |
|---|---|---|
| Krankenversicherung (allgemein) | 14,6 % | Veräußerungsgewinn |
| Zusatzbeitrag (Durchschnitt) | 2,5 % | Veräußerungsgewinn |
| Krankenversicherung gesamt | 17,1 % | Veräußerungsgewinn |
| Pflegeversicherung (mit Kindern) | 3,6 % | Veräußerungsgewinn |
| Pflegeversicherung (kinderlos) | 4,2 % | Veräußerungsgewinn |
| Gesamtbelastung (mit Kindern) | 20,7 % | Veräußerungsgewinn |
| Gesamtbelastung (kinderlos) | 21,3 % | Veräußerungsgewinn |
Der durchschnittliche Zusatzbeitrag liegt 2025 bei 2,5 Prozent, aber einzelne Krankenkassen erheben zwischen 2,18 und 4,4 Prozent. Bei einem hohen Veräußerungsgewinn macht dieser Unterschied mehrere tausend Euro aus.
Wichtig: Es gibt keine Beitragsbemessungsgrenze
Anders als bei normalen Einkünften gibt es bei Veräußerungsgewinnen keine Beitragsbemessungsgrenze. Während deine laufenden Einkünfte nur bis zur Beitragsbemessungsgrenze von 66.150 Euro jährlich (5.512,50 Euro monatlich) beitragspflichtig sind, zahlst du auf den Veräußerungsgewinn Beiträge auf den vollen Betrag.
Dies ergibt sich aus § 240 Abs. 4 SGB V, der für einmalige Einnahmen eine besondere Regelung vorsieht. Bei Veräußerungsgewinnen wird der Gewinn auf einen Zeitraum von 120 Monaten (zehn Jahren) verteilt, aber die Beiträge werden sofort auf den gesamten Betrag fällig. Die Beitragsbemessungsgrenze gilt nur für laufende monatliche Einkünfte, nicht für diese auf zehn Jahre verteilten Einmaleinnahmen.
Bei einem Veräußerungsgewinn von 500.000 Euro zahlst du also auf die gesamten 500.000 Euro Krankenversicherungsbeiträge, nicht nur bis zur Beitragsbemessungsgrenze. Das führt zu extrem hohen Beiträgen, die viele Verkäufer völlig überraschen.
Fälligkeit und Zahlung der Krankenversicherungsbeiträge bei einem Veräußerungsgewinn
Die Krankenversicherungsbeiträge werden nach § 22 Abs. 1 SGB IV in dem Monat fällig, in dem du den Veräußerungsgewinn erzielst. Das ist typischerweise der Monat, in dem der Kaufpreis auf deinem Konto eingeht. Die Krankenkasse fordert die Beiträge dann auf einen Schlag ein, nicht verteilt über mehrere Monate.
Du musst deiner Krankenkasse den Veräußerungsgewinn nach § 240 Abs. 1 Satz 2 SGB V unverzüglich melden. Das geschieht meist über deine Einkommensteuererklärung, die du der Krankenkasse vorlegen musst. Die Krankenkasse berechnet dann die Beiträge und fordert sie von dir ein. Eine verspätete Meldung kann zu Säumniszuschlägen führen.
Die Beiträge musst du in einer Summe zahlen, auch wenn der Veräußerungsgewinn rechnerisch auf 120 Monate verteilt wird. Es gibt keine Ratenzahlung über zehn Jahre. Die Krankenkassen bestehen auf sofortiger Zahlung der gesamten Beitragssumme. In Härtefällen kannst du eine Ratenzahlungsvereinbarung mit deiner Krankenkasse treffen, darauf besteht aber kein Rechtsanspruch.
Fallbeispiele: Veräußerungsgewinn bei Verkauf von Arztpraxis, Firma und Immobilie
Fall 1: Krankenversicherungsbeiträge bei Verkauf von Arztpraxis
Dr. Schmidt verkauft seine Hausarztpraxis nach 28 Jahren für 350.000 Euro. Der Buchwert seiner Praxis liegt bei 50.000 Euro. Sein Veräußerungsgewinn beträgt also 300.000 Euro.
| Position | Berechnung | Betrag |
|---|---|---|
| Verkaufspreis | – | 350.000 € |
| Buchwert | – | 50.000 € |
| Veräußerungsgewinn | 350.000 € − 50.000 € | 300.000 € |
| Krankenversicherung | 300.000 € × 17,1 % | 51.300 € |
| Pflegeversicherung (kinderlos) | 300.000 € × 4,2 % | 12.600 € |
| Gesamt Krankenversicherungsbeiträge | 51.300 € + 12.600 € | 63.900 € |
| Netto-Veräußerungsgewinn (vor Steuern) | 300.000 € − 63.900 € | 236.100 € |
Dr. Schmidt zahlt 63.900 Euro Krankenversicherungsbeiträge auf seinen Praxisverkauf. Zusätzlich fallen noch Einkommensteuern an, die hier nicht berücksichtigt sind. Von seinem Veräußerungsgewinn bleiben ihm nach Krankenversicherungsbeiträgen 236.100 Euro, bevor die Steuer greift.
Die rechtliche Grundlage für diese Beitragspflicht ist § 240 Abs. 1 SGB V in Verbindung mit § 16 EStG. Der Verkauf einer Arztpraxis gilt als Veräußerung eines Betriebs im Sinne des § 16 EStG. Da Dr. Schmidt als niedergelassener Arzt freiwillig gesetzlich versichert war, fällt sein Veräußerungsgewinn unter die Beitragspflicht.
Diese hohe Belastung hätte Dr. Schmidt durch eine frühzeitige Planung reduzieren können.
Ein Wechsel in die PKV einige Jahre vor dem Praxisverkauf hätte die Krankenversicherungsbeiträge komplett vermieden, da nach § 5 Abs. 1 Nr. 1 SGB V nur freiwillig gesetzlich Versicherte beitragspflichtig sind. Aber auch Gestaltungen wie eine Ratenzahlung des Kaufpreises über mehrere Jahre hätten die Beitragslast gemindert.
Fall 2: Krankenversicherungsbeiträge beim Firmenverkauf
Herr Müller verkauft seinen Handwerksbetrieb für 800.000 Euro. Der Buchwert seines Betriebs liegt bei 120.000 Euro. Sein Veräußerungsgewinn beträgt 680.000 Euro.
| Position | Berechnung | Betrag |
|---|---|---|
| Verkaufspreis | – | 800.000 € |
| Buchwert | – | 120.000 € |
| Veräußerungsgewinn | 800.000 € − 120.000 € | 680.000 € |
| Krankenversicherung | 680.000 € × 17,1 % | 116.280 € |
| Pflegeversicherung (mit Kind) | 680.000 € × 3,6 % | 24.480 € |
| Gesamt Krankenversicherungsbeiträge | 116.280 € + 24.480 € | 140.760 € |
| Netto-Veräußerungsgewinn (vor Steuern) | 680.000 € − 140.760 € | 539.240 € |
Herr Müller zahlt 140.760 Euro Krankenversicherungsbeiträge. Das ist eine enorme Summe, die seine Altersvorsorge erheblich schmälert. Von seinem Veräußerungsgewinn von 680.000 Euro bleiben ihm nach Krankenversicherungsbeiträgen 539.240 Euro, bevor die Einkommensteuer greift.
Der Verkauf eines Handwerksbetriebs fällt ebenfalls unter § 16 EStG. Als selbstständiger Handwerksmeister war Herr Müller freiwillig gesetzlich versichert und unterliegt damit der Beitragspflicht nach § 240 Abs. 1 SGB V. Die Krankenkasse berechnet die Beiträge auf Grundlage des Einkommensteuerbescheids, den Herr Müller vorlegen muss.
Bei solch hohen Veräußerungsgewinnen wird deutlich, wie dramatisch die Krankenversicherungsbeiträge die Liquidität belasten. Herr Müller hätte durch eine mehrjährige Planung vor dem Verkauf verschiedene Gestaltungsmöglichkeiten nutzen können, um diese Beiträge zu reduzieren oder zu vermeiden.
Fall 3: Krankenversicherungsbeiträge bei Immobilienverkauf
Frau Weber verkauft ein gewerblich genutztes Mehrfamilienhaus, das sie als Einzelunternehmen betrieben hat, für 1.200.000 Euro. Der Buchwert liegt bei 400.000 Euro. Der Veräußerungsgewinn beträgt 800.000 Euro.
| Position | Berechnung | Betrag |
|---|---|---|
| Verkaufspreis | – | 1.200.000 € |
| Buchwert | – | 400.000 € |
| Veräußerungsgewinn | 1.200.000 € − 400.000 € | 800.000 € |
| Krankenversicherung | 800.000 € × 17,1 % | 136.800 € |
| Pflegeversicherung (kinderlos) | 800.000 € × 4,2 % | 33.600 € |
| Gesamt Krankenversicherungsbeiträge | 136.800 € + 33.600 € | 170.400 € |
| Netto-Veräußerungsgewinn (vor Steuern) | 800.000 € − 170.400 € | 629.600 € |
Wichtig: Diese Beitragspflicht gilt nur, weil Frau Weber die Immobilie gewerblich in einem Einzelunternehmen genutzt hat. Bei privaten Immobilienverkäufen fallen keine Krankenversicherungsbeiträge an.
Die rechtliche Abgrenzung ist hier entscheidend. Nach § 16 EStG liegt ein Veräußerungsgewinn nur bei der Veräußerung eines Betriebs oder Teilbetriebs vor. Da Frau Weber die Immobilie als Einzelunternehmen gewerblich vermietet hat, gilt der Verkauf als Betriebsveräußerung. Private Immobilienverkäufe nach § 23 EStG (private Veräußerungsgeschäfte) unterliegen dagegen nicht der Beitragspflicht nach § 240 SGB V.
Frau Weber zahlt 170.400 Euro Krankenversicherungsbeiträge auf ihren Immobilienverkauf. Von ihrem Veräußerungsgewinn von 800.000 Euro bleiben ihr nach Krankenversicherungsbeiträgen 629.600 Euro, bevor die Einkommensteuer berechnet wird.
Diese extrem hohe Belastung zeigt, wie wichtig eine frühzeitige Planung ist. Bei Veräußerungsgewinnen in dieser Größenordnung solltest du unbedingt mehrere Jahre vor dem Verkauf prüfen, ob ein Wechsel in die PKV oder andere Gestaltungen sinnvoll sind.
Fazit: „Plane deinen Unternehmensverkauf frühzeitig, damit die Krankenversicherungsbeiträge dich nicht kalt erwischen“
In den letzten Jahren habe ich dutzende Selbstständige beraten, die von den Krankenversicherungsbeiträgen auf ihren Veräußerungsgewinn völlig überrascht wurden. Viele hatten nicht damit gerechnet, dass 20 Prozent oder mehr ihres Verkaufserlöses für Krankenversicherung draufgehen.
Die wichtigsten Punkte, die du dir merken solltest:
- Freiwillig gesetzlich Versicherte zahlen auf Veräußerungsgewinne 20,7% (mit Kind) oder 21,3% (kinderlos)
- Die rechtliche Grundlage ist § 240 SGB V in Verbindung mit § 16 EStG
- Es gibt keine Beitragsbemessungsgrenze bei Veräußerungsgewinnen nach § 240 Abs. 4 SGB V
- Die Beiträge werden in dem Monat fällig, in dem der Kaufpreis eingeht (§ 22 Abs. 1 SGB IV)
- Pflichtversicherte und Privatversicherte zahlen keine Krankenversicherungsbeiträge auf Veräußerungsgewinne
- Private Immobilienverkäufe sind beitragsfrei
- Du musst den Veräußerungsgewinn unverzüglich der Krankenkasse melden (§ 240 Abs. 1 Satz 2 SGB V)
Wenn du planst, deine Praxis, dein Unternehmen oder deinen Betrieb zu verkaufen, solltest du frühzeitig mit einem Spezialisten sprechen. Idealerweise drei bis fünf Jahre vor dem geplanten Verkauf. In dieser Zeit kannst du noch Gestaltungen vornehmen, die deine Krankenversicherungsbeiträge erheblich reduzieren oder sogar komplett vermeiden.
Melde dich bei mir, wenn du einen Unternehmensverkauf planst und wissen möchtest, wie hoch die Krankenversicherungsbeiträge ausfallen und welche Gestaltungsmöglichkeiten du hast. Wir rechnen gemeinsam durch, was auf dich zukommt, und entwickeln eine Strategie, um die Beiträge zu minimieren.
Je früher du planst, desto mehr Optionen hast du.
